Eine Krebsdiagnose bei Kindern bringt das Familiengefüge völlig durcheinander. Das Familienleben – mit all seinen Strukturen und Ritualen – findet von heute auf morgen nicht mehr wie gewohnt statt. Das erkrankte Kind fehlt über längere Zeiträume zuhause; oft ist auch ein Elternteil begleitend mit in der Klinik. Die Erkrankung zu verstehen, ist insbesondere für junge betroffene Kinder und deren Geschwister nicht leicht. Gefühle wie Verlustängste, Sorgen um das erkrankte Geschwisterkind, Vermissen der Eltern und gewohnter Rituale – all das ist eine psychisch herausfordernde Situation für die gesamte Familie.

Klara Höhn ist studierte Motologin und Psychologin und in dieser Position seit 2022 am Kinderonkologischen Zentrum aktiv.

Frau Höhn, wie gestaltet sich die psychosoziale Betreuung aus Perspektive der gesamten Familie?

Unser Angebot richtet sich nicht ausschließlich an die Kinder und Jugendlichen, die selbst erkrankt sind, es gilt auch für deren Familien (also Eltern und Geschwister, in manchen Fällen sogar Großeltern). Die Freiwilligkeit der Begleitung in dieser sensiblen Zeit wird betont und richtet sich nach dem Bedarf der Familien.  Der Inhalt der Begleitung ist dabei sehr individuell, mit Kindern natürlich eher spielerisch, da Kinder Themen im und über das Spiel verarbeiten. Mit zunehmendem Alter werden die Kontakte immer gesprächsorientierter.

Welche Hilfestellungen können Sie Eltern im Umgang mit ihren Kindern hinsichtlich der Erkrankung geben?

Gerade bei kleineren Kindern liegt der Fokus oftmals darauf, die Eltern bei der eigenen Stabilisierung und Verarbeitung zu unterstützen, damit sie bestmöglich für die Kinder da sein können. Wir helfen den Eltern auch dabei, eine altersgerechte Sprache im Zusammenhang mit der Erkrankung zu finden, in dem wir zum Teil mit den Familien gemeinsam eine bildliche Sprache für verschiedene Situationen entwickeln.

Wie sieht diese bildliche, kindgerechte Sprache aus?

Ich nenne Ihnen mal ein Beispiel: Wenn im Rahmen der Behandlung die Infusion an den Katheter oder Port angeschlossen werden muss, kann man den Kindern bildlich erklären, dass die Medikamente, die über den Infusionsständer laufen, wie eine Art Tankstelle für die Kinder sind, damit sie die Medizin tanken können, die ihnen hilft, wieder gesund zu werden.

Können Sie weitere Beispiele nennen?

Ja, als eine geeignete Metapher zur Erklärung der verschiedenen Behandlungen einer Krebserkrankung empfinde ich die Unkraut-Metapher: Wenn man sich vorstellt, dass Krebszellen kranke Zellen sind, die genau wie Unkraut in einem Beet die ganzen Nährstoffe schneller aufnehmen als andere Pflanzen und dadurch schneller wachsen, hat man verschiedene Möglichkeiten dieses Unkraut zu entfernen: So kann man das Unkraut in den Fugen von Terrassenfliesen beispielsweise mit einem Brenner wegmachen (Strahlentherapie). Es gibt auch die Möglichkeit, Unkraut in einem Beet mit einem Spaten oder einem anderen Werkzeug herauszunehmen (Operation). Eine weitere Möglichkeit ist der Unkrautvernichter (Chemotherapie). Man gibt ihn in den Boden des Beetes und weil man weiß, dass Unkraut deutlich schneller Flüssigkeit und Nährstoffe aus dem Boden aufnimmt, nimmt überwiegend das Unkraut das Mittel auf und geht ein.

Wie häufig und wo finden die Gespräche mit Familien bzw. Geschwisterkindern statt?

Das Angebot sieht vor, dass alle Familien mindestens ein erstes Gespräch wahrnehmen können. Je nach Bedarf begleiten wir die Familien intensiver oder weniger intensiv im Verlauf der Behandlung und darüber hinaus; bis in die Langzeitnachsorge. Es kommt vor, dass eine Familie zwar ein Erstgespräch in Anspruch nimmt, aber im weiteren Verlauf nur sehr wenige oder kurze Kontakte wahrnehmen möchte. Andere hingegen sind offen und freuen sich über eine kontinuierliche Begleitung in dieser Zeit. Bei Bedarf werden die Familien durch regelmäßige Begleitung, Beratungsgespräche oder sogar konkrete Hilfestellungen im Umgang mit herausfordernden Situationen, aber auch in Bezug auf ein verbessertes Krankheitsverständnis unterstützt. Im Rahmen der Pandemie war es lange Zeit nicht möglich, auch Geschwisterkinder im Krankenhaus mit zu betreuen. Wir sind froh darüber, dass dies nun wieder möglich ist. In der Regel werden separate Termine mit den Geschwisterkindern, gegebenenfalls auch mit den Eltern, vereinbart, sofern Bedarf besteht.