Warum Trauer und Verlust kein Tabu sein dürfen…

Diesen Donnerstag ist Vatertag und am kommenden Sonntag ist Muttertag. Das wissen die meisten. Am gestrigen Sonntag war ebenfalls Muttertag, allerdings aus sehr traurigem Anlass: Denn am ersten Sonntag im Mai ist der Muttertag für verwaiste Mütter (International Bereaved Mother’s Day). An diesem Tag wird Aufmerksamkeit geschaffen für das noch sehr häufig tabuisierte Thema „Verlust eines Kindes“ und die Trauer, die damit einhergeht. Der Tag schlägt aber auch eine Brücke zum Muttertag am zweiten Sonntag im Mai, indem er aufzeigt: Mütter und natürlich auch Väter, die ihr Kind verloren haben, bleiben Eltern und solche Tage wie Mutter- und Vatertag sind für diese Eltern häufig besonders stark mit Trauer und Schmerz verbunden. Ein gewisses Maß an Sensibilität im Umfeld der Betroffenen ist an diesen Tagen deshalb wichtig – sei es vielleicht in Form einer Umarmung oder einem Angebot aus dem Familien- und Freundeskreis wie: „Ich bin für dich da, wenn du mich brauchst.“

Denn ein Kind zu verlieren, egal ob schon im Mutterleib, bei der Geburt oder später durch Unfall oder Krankheit, ist für Eltern das Schlimmste, was ihnen passieren kann. Es ist grausam und unnatürlich und verändert das Leben der betroffenen Familien unwiederbringlich. Das Vermissen und die Trauer erhalten Einzug, um zu bleiben. Und darüber schreibe ich heute nicht nur als Mitarbeiterin der Kinderkrebshilfe Mainz, sondern als betroffene Mutter, die ihren Sohn mit gerade einmal drei Jahren an Leukämie verloren hat. Auch wenn heute rund 80 Prozent der Kinder, die an Krebs erkranken, geheilt werden können, überleben 2 von 10 Kindern ihre Diagnose nicht länger als 15 Jahre.

Uns ist es wichtig, auch das zu thematisieren – diese Kinder und deren Familien werden nicht vergessen! Und es darf kein Tabu sein, auch darüber zu sprechen. Ich für meinen Teil tue das – heute in Form dieses Beitrags – aber auch privat, indem ich über unsere Geschichte, meinen Sohn und die Trauer, aber auch die Liebe und das Leben schreibe (Facebook-Blog „Bösewichte im Blut“). Das ist meine Art, damit umzugehen.

Aber Trauer ist individuell – es gibt keine Anleitung, keinen Königsweg, um mit so einem schweren Verlust umzugehen. Vielen Eltern hilft es, darüber zu sprechen, zu wissen, dass sie nicht allein sind: Es gibt Anlaufstellen, die Eltern bei der Trauerverarbeitung unterstützen können, wie etwa das psychosoziale Team am Kinderonkologischen Zentrum der Unimedizin Mainz, der Verein „Trauernde Eltern & Kinder Rhein-Main e.V.“ und spezielle Rehas für verwaiste Eltern und Geschwister (z.B. Nachsorgeklinik Tannheim). Und oft hilft es auch schon, wenn Betroffene wissen, dass das familiäre Umfeld und Freunde bereit sind, zuzuhören.

Meine Arbeit bei der Kinderkrebshilfe Mainz hilft mir, indem sie mir das Gefühl gibt, etwas bewegen zu können, gegen die Krankheit, die uns unser Kind genommen hat. Und auch das scheint ein Weg zu sein, den manche Eltern wählen: Sie engagieren sich beruflich und/oder privat für ihre verstorbenen Kinder und gegen Krankheiten wie Krebs im Kindesalter. So sind beispielsweise Stiftungen und Vereine wie „Für Emilia“ oder die „Sophia Kallinowsky Stiftung“ entstanden.

Und auch das Schreiben kann bei der Verarbeitung helfen – sei es in Form von Blogs wie zum Beispiel „Mein Tanz im Regen deiner Asche“ (Instagram) oder auch in Form von Büchern wie „Superhelden Sterben nicht“. Von diesen Erfahrungen zu lesen, kann anderen betroffenen Eltern eine große Hilfe sein, Trost spenden und Hoffnung geben.

Wir von der Kinderkrebshilfe Mainz erzählen viele Geschichten von Kindern und deren Familien, die Mut machen, und das ist richtig und wichtig – aber wir sagen auch: Es muss noch ganz viel passieren im Kampf gegen Kinderkrebs. Über die Kinder und Jugendlichen zu sprechen, die es nicht geschafft haben, und den Verlust und die Trauer, die betroffene Familien dadurch erleben, zu thematisieren, ist ebenso wichtig und darf kein Tabu sein. Diese unvergessenen kleinen und größeren Held*innen und Sternenkinder erinnern uns daran, wofür wir unermüdlich arbeiten: Dafür, dass die Heilungschancen weiter steigen, für mehr Forschung und für eine bestmögliche Behandlung, denn jedes Kind, das an Krebs stirbt, ist eines zu viel!

Und so bleibt uns zu sagen: Wir denken am bevorstehenden Vater- und Muttertag an alle Eltern und schicken eine stille Umarmung an jene, die ihre Kinder nicht mehr bei sich haben können! Ihr und eure Sternenkinder werdet gesehen.

Abschließend meine persönliche Empfindung: Für mich ist der Muttertag traurigschön, eine Beschreibung, die ich seit dem Tod meines Sohnes häufig nutze. Denn ich habe noch zwei kleine Kinder an meiner Hand, die mich am Muttertag mit Aufmerksamkeiten und vor allem ganz viel Liebe beschenken. Das rührt mich zu Tränen – aber meine Tränen bleiben dabei auch stets Tränen der Trauer, eine andere Form der Liebe, denn sie sind auch Ausdruck des Fehlens und des Vermissens meines ersten Kindes.

Natasha vom Team der Kinderkrebshilfe Mainz