Prof. Dr. Jörg Faber beantwortet häufige Fragen zu Kinderkrebs
Prof. Dr. Jörg Faber ist der Leiter des Kinderonkologischen Zentrums der Universitätsmedizin Mainz. Im Rahmen der Aktion „Leser helfen“ der Allgemeinen Zeitung, bei der Kruschel-Leser*innen 35.000 Euro zu Gunsten der Kinderkrebshilfe Mainz sammelten (zum Bericht), beantwortete er folgende Fragen. Diese erreichen uns häufiger. Daher veröffentlichen wir die Antworten an dieser Stelle und motivieren, die Inhalte – auch in pädagogischen Kontexten – zu nutzen. Weitere spannende Fragen und Antworten, die Krebs bei Kindern für Kinder erklären, finden Sie hier.
Welche Krebsarten treten bei Kindern besonders häufig auf? Und warum?
Es gibt eine Vielzahl unterschiedlicher Krebserkrankungen. Dabei unterscheiden sich die Krebsarten, die bei Kindern und Jugendlichen auftreten, grundlegend von denen der Erwachsenen.
Die bei Kindern am häufigsten vorkommende Krebsart ist mit circa 30% aller Fälle der Blutkrebs (Leukämie). Die zweithäufigste Diagnosegruppe bilden die Hirntumore.
Warum dies so ist, weiß man noch nicht genau, deshalb wird dazu sehr viel geforscht.
Was weiß man darüber, wie Krebs bei Kindern entsteht?
Auch auf diese Frage gibt es heute noch keine genaue Antwort.
Man weiß für Krebserkrankungen im Erwachsenenalter, dass bestimmte Verhaltensweisen oder Risikofaktoren eine Krebserkrankung wahrscheinlicher machen (z.B. Rauchen, Alkoholkonsum, Bewegungsmangel, ungesunde Ernährung).
Bei Kindern und Jugendlichen gibt es selten einen einzelnen Grund für das Auftreten einer Krebserkrankung. Es können viele verschiedene Faktoren eine Rolle spielen, wie beispielsweise Veränderungen im Erbgut, Umwelteinflüsse, Infektionen oder Vorerkrankungen.
Wichtig zu wissen ist jedoch, dass eine Krebserkrankung, die im Kindes- oder Jugendalter auftritt, in der Regel nicht durch menschliches Fehlverhalten ausgelöst wird und nicht selbstverschuldet auftrifft.
Wie erkennt man, dass ein Kind an Krebs erkrankt sein könnte? Welche Bedeutung hat eine Früherkennung?
Die Symptome, die ein Kind bei einer Krebserkrankung haben kann, sind je nach Erkrankungsart sehr unterschiedlich. Einerseits gibt es örtliche Krankheitszeichen (sog. Lokalsymptome) wie Schwellungen oder Schmerzen. Häufig sind die Krankheitsziechen aber eher vage und nicht charakteristisch; man spricht hier von Allgemeinsymptomen. Zu solchen allgemeinen Krankheitszeichen zählen z.B. Fieber, Blässe, starke Müdigkeit oder ein ausgeprägter Gewichtsverlust. Das bedeutet natürlich nicht, dass jedes Kind mit Fieber und Müdigkeit an Krebs erkrankt ist! Wenn solche Zeichen allerdings ohne einen eindeutig erkennbaren Grund oder über längere Zeit bestehen, sollte eine kinderärztliche Abklärung erfolgen.
Eine wirkliche Früherkennung für Krebserkrankungen bei Kindern gibt es nicht. Da Krebserkrankungen bei Kindern eine sehr seltene Erkrankungsgruppe sind, wäre es auch nicht zielführend, alle Kinder regelmäßig daraufhin zu untersuchen. Andererseits ist eine Krebserkrankung häufig besser zu bekämpfen, wenn sie früh erkannt wird.
Was ist anders bei der Behandlung von Krebserkrankungen bei Kindern im Vergleich zu Erwachsenen?
So unterschiedlich wie die Gewebearten in unserem Körper sind, so vielgestaltig kann auch der Krebs sein. Wie erwähnt, treten bei Kindern und Jugendlichen unterschiedliche Krebsarten auf, die auch unterschiedlicher Behandlung bedürfen. Diese Behandlung muss zudem an unterschiedliche Altersklassen angepasst werden: Ein fast 18-jähriger Patient ist aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten als ein neugeborenes Kind. Daher werden Kinder und Jugendliche grundsätzlich in spezialisierten kinderonkologischen Kliniken behandelt.
Ähnlichkeiten in der Krebsbehandlung von Kindern und Erwachsenen bestehen jedoch hinsichtlich der allgemeinen Therapiemöglichkeiten: Es kommen zum Teil ähnliche Medikamente (Fachwort: Chemotherapie) zum Einsatz, aber auch eine Operation oder Bestrahlung können Bestandteil einer Krebsbehandlung sein.
Gemeinsam mit weiteren Experten und Forschungsgruppen arbeiten wir daran, dass diese Therapien in Zukunft immer weiter verfeinert und auf das jeweils individuelle Krankheitsbild zugeschnitten werden.
Wie sind die Heilungschancen (insgesamt und bezogen auf einzelne Tumorarten)?
Insgesamt sind die Heilungschancen über alle Krebsarten gemittelt sehr gut. Aktuell überleben 4 von 5 Kindern ihre Erkrankung dauerhaft. Bei den zuvor angesprochenen Leukämien gibt es Formen mit einer Heilungschance von bis zu 90%. Gleiches gilt auch für kindliche Nierentumore mit Überlebensraten von bis zu 95%.
Insgesamt hat in den letzten Jahrzehnten die Überlebenswahrscheinlichkeit von an Krebs erkrankten Kindern deutlich zugenommen. Dies liegt vor allem an der intensiven Forschung und an den dadurch verbesserten Therapiemöglichkeiten.
Wie häufig sind Krebserkrankungen insgesamt bei Kindern? Gibt es belastbare Zahlen?
Ja, die gibt es. In Deutschland werden seit über 40 Jahren alle Krebs-Neuerkrankungen an das Deutsche Kinderkrebsregister in Mainz gemeldet. Es erkranken aktuell* deutschlandweit ungefähr 2.200 Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren pro Jahr an Krebs. Damit gehören Krebserkrankungen im Kindes- und Jugendalter glücklicherweise zu den sehr seltenen Erkrankungen.
*Das Interview wurde im Januar 2021 formuliert.