Interview: Von Kiew in die Kinderonkologie Mainz

Im Februar diesen Jahres stand die Welt einen Moment lang still: Der russische Präsident Wladimir Putin startete seinen Invasionskrieg in der Ukraine. Die dadurch ausgelöste Zerstörung und das Leid der ukrainischen Bevölkerung bestürzen uns bis heute sehr. Um nicht nur tatenlos zuzusehen, sondern selbst einen Beitrag zu leisten, beschloss das Kinderonkologische Zentrum der Universitätsmedizin Mainz, krebskranke ukrainische Flüchtlingskinder und ihre Familien aufzunehmen und bestmöglich zu versorgen (wir berichteten). Das Ziel: Einen sicheren Hafen zu bieten und durch dringend benötigte medizinische und psychosoziale Behandlung Nothilfe zu leisten.

Eines dieser Kinder ist Nikita. Er hat sich bereit erklärt, uns einen kleinen Einblick in seine Flucht, seine Krankheitsgeschichte und seine Erfahrungen hier in Mainz zu verschaffen. Dieses Interview wurde aus dem Ukrainischen übersetzt.

 

Lieber Nikita, stell dich doch einmal kurz vor.

Ich bin Nikita, 15 Jahre alt, komme aus Kiew und in meiner Freizeit spiele ich gerne Computerspiele. In der Ukraine ging ich in die neunte Klasse und habe sehr viel Zeit mit meinem besten Freund verbracht. Dieser befindet sich aktuell noch in Kiew und wir halten weiterhin über Handy Kontakt.

Mit wem bist du geflohen und wie seid ihr nach Deutschland beziehungsweise nach Mainz gekommen?

Am 9. März 2022 sind wir – meine Mutter, mein dreijähriger Bruder, meine Tante und meine Cousine – erst mit einem Sammelbus nach Polen geflohen. Leider sind meine Großeltern und ein Großteil der Familie und Freunde noch in der Ukraine. Mein Vater befindet sich aktuell und bereits vor Kriegsausbruch arbeitsbedingt in Belgien. Leider konnten wir nicht zu ihm flüchten. Die Bedingungen vor Ort gewährten keine Familienzusammenkunft. Durch eine Bekannte meiner Tante, die in Oestrich-Winkel lebt, sind wir weiter nach Deutschland geflohen.

Wo seid ihr untergekommen?

Nachdem wir in Oestrich-Winkel angekommen sind, haben wir eine Wohnung in Eltville bezogen. Aktuell wohnen nur meine Mutter und mein Bruder und ich in der Wohnung. Meine Tante und meine Cousine sind vor circa vier Wochen wieder nach Kiew zurückgekehrt. Wir haben täglich Telefonkontakt nach Kiew.

Habt ihr selbst Familie oder Bekannte hier, die euch unterstützen?

Durch die Bekannte meiner Tante haben wir in Oestrich-Winkel Zuflucht erhalten. Sie kümmerte sich um eine Wohnungsunterkunft. Unsere jetzige Vermieterin ist eine große Unterstützung und Hilfe für unsere Familie. Sie hilft uns im Alltag. Wir sind sehr dankbar.

Und wir sind sehr froh darüber, dass ihr hier Zuflucht finden konntet. Bei uns bist du ja aufgrund deiner Krankheit. Um welche Krankheit handelt es sich genau und wann wurde diese diagnostiziert? War das Kinderonkologische Zentrum der Unimedizin Mainz deine erste Anlaufstelle?

Die ersten Anzeichen machten sich bereits auf der Flucht nach Polen bemerkbar. Dort bemerkte ich Sehstörungen und ein geschwollenes Auge. Am 4. April 2022 kamen wir in Deutschland an und nach zahlreichen Arztbesuchen wurde mir eine Vorstellung hier in der Kinderonkologie Mainz empfohlen. Hier erfolgte dann die Diagnosestellung einer Krebserkrankung.

Wie würdest du deine Behandlung und Versorgung im Kinderonkologischen Zentrum beschreiben? Bist du zufrieden und fühlst du dich schon ein klein wenig angekommen?

Die Diagnoseeröffnung war für mich ein großer Schock. Ich befand mich in einer Art Schockzustand – ich empfand ein Gefühl der inneren Leere und hatte natürlich sehr viel Angst. Das Personal hier ist sehr nett, hilfsbereit und wir fühlen als Familie die Unterstützung. Ich bin sehr froh, hier zu sein und dass ich hier die Behandlung bekomme. Meine Familie bedankt sich bei allen Mitarbeitern der Kinderonkologischen Abteilung für die liebevolle Fürsorge sowie bereits stattgefundene materielle Hilfen in dieser schwierigen Zeit.

Was wünscht du dir für dich und deine Familie in der Zukunft?

Natürlich neben Gesundheit ein glückliches Leben, Frieden und zurück nach Kiew gehen zu können.

Vielen Dank, dass du mit uns dieses Interview geführt hast! Wir wünschen dir nur das Beste und hoffen, dass so schnell wie möglich wieder Frieden in der Ukraine einkehrt und ihr zurück zu euren Liebsten könnt.

 

Unser Dank gilt auch unseren ehrenamtlichen Dolmetscher*innen, die sich in dieser schwierigen Lage jederzeit für unsere Patient*innen bemühen und eine großartige Arbeit leisten. Dieses Interview wurde durch unsere Dolmetscherin Frau Bondarenko unterstützt – vielen herzlichen Dank dafür!