Lena (links) und Mareike (rechts) besprechen sich.

Morgens 8.30 Uhr, Frühbesprechung bei den studierten Sportwissenschaftlerinnen Mareike und Lena. Welche kleinen und größeren Patient*innen sind heute in der Klinik? Die beiden Therapeutinnen beraten, mit welchen Kindern und Jugendlichen am heutigen Tag bestenfalls eine Sporteinheit oder eine Sporttestung eingeplant werden kann, auf welchem Stand der Therapie sich die Patient*innen befinden und ob, ausgehend vom Gesundheitszustand, die vorgesehenen therapeutischen Maßnahmen durchgeführt werden können. In der Regel werden acht bis zehn Kinder für die Sporttherapie angefragt; letztlich teilnehmen können hiervon täglich etwa drei bis sechs Patient*innen. Jede Sporteinheit dauert zwischen 30 und 60 Minuten.

Im nächsten Schritt begibt sich Mareike zu den Ärzt*innen. Mit diesen bespricht sie, welche Kinder heute – unter Berücksichtigung aller medizinischen Werte, wie beispielsweise Höhe der Thrombozyten und des HB-Werts, aber auch ausgehend vom Allgemeinzustand – am Sportprogramm teilnehmen. Nachdem das ärztliche Einverständnis vorliegt, werden die Kinder und Jugendlichen aufgesucht.

„Für mich ist meine Arbeit mit den kleinen und größeren Patient*innen sehr erfüllend“, erzählt Mareike. „Sie gibt mir das Gefühl, den Kindern und Jugendlichen in dieser schweren Situation etwas mitgeben zu können. Etwas, das sie beim Gesundwerden unterstützt und zugleich oftmals ihre Laune hebt“, sagt Mareike.

Seit 2021 betreuen Mareike und Lena unter anderem im Rahmen der Studie FORTEe, eine europaweite klinisch kontrolliert randomisierte Studie zu den Effekten von Sporttherapie auf Patient*innen in der pädiatrischen Onkologie, die Kinder und Jugendlichen am Kinderonkologischen Zentrum in Mainz. Denn: Noch immer ist Sporttherapie während der Krebsbehandlung in der Klinik keine kassenärztliche Leistung – in vielen Kliniken in ganz Deutschland ermöglichen Vereine die Sporttherapie mithilfe von Spendengeldern; in Mainz wird sie überwiegend durch die Kinderkrebshilfe Mainz sowie Studiengelder finanziert. Umso wichtiger ist es, im Rahmen von großangelegten Studien die positiven Effekte von Sport während der Krebstherapie nachzuweisen, um langfristig an dem Ziel der Kostenübernahme der Sporttherapie zu arbeiten und diese in der Standardversorgung der Kliniken zu etablieren.

Auch Lena bestätigt: „Bei der Arbeit mit den kleinen Patient*innen machen wir immer wieder die Erfahrung, dass die Kinder ab dem Zeitpunkt, an dem sie am Sportprogramm teilnehmen können, auch die Klinikaufenthalte als angenehmer empfinden.“ Nach jeder Sporteinheit werden die Aktivitäten der Kinder dokumentiert. „Generell kann man sagen, dass wir jeweils zur Hälfte wissenschaftlich und aktiv sporttherapeutisch arbeiten.“

Bei der heutigen Sporttherapie ist der siebenjährige Gustav an der Reihe: Gemeinsam mit seinen Eltern Sven und Monika ist er für einen ambulanten Termin mit Chemotherapie am Kinderonkologischen Zentrum in Mainz. Bevor die Chemotherapie beginnt, soll Gustav, sofern er sich fit genug fühlt, an einer Sporteinheit teilnehmen. Gustav freut sich – denn nach Abschluss der heutigen Einheit, wird er seinen Sportplan vollständig absolviert haben. Ein Bogen mit Länderstationen symbolisiert die sportliche Reise und bei jeder absolvierten Sporteinheit gibt es am Ende einen Sticker, der auf den Bogen geklebt wird. Nur noch ein Sticker fehlt, dann hat Gustav das Ziel erreicht und darf sich ein Geschenk aus einer Schatztruhe aussuchen.

Wir begleiten die Familie in den Sportraum. Sporttherapeutin Lena bereitet ein Memory vor: Die Karten symbolisieren verschiedene Aktivitäten. Finden Gustav oder Lena zwei gleiche Paare, dann wird die dort abgebildete Aktivität absolviert. Dazu gehören heute unter anderem Radfahren, das Training mit Gewichten, Stufenlaufen, Basketballkörbe werfen oder auch das Plankpad – ein Balancierbrett, das 2023 neu durch die Kinderkrebshilfe Mainz angeschafft wurde und mit dessen Hilfe das Gleichgewicht trainiert wird. Während Gustav auf dem Pad steht, spielt er auf dem Handy, das auf dem Boden des Pads liegt, ein Spiel und weicht als Pirat Gegenständen aus und hält so spielerisch seine Balance.

Mit dem Plankpad übt Gustav das Balancieren.

Seit seinem ersten stationären Aufenthalt im November 2023 nimmt Gustav am Sportprogramm teil. Mama Monika erinnert sich an die erste Sporttherapie-Stunde: „Als Gustav das erste Mal im Sportraum auf dem Fahrrad saß, hat sich gleich ein Lächeln auf seinem Gesicht ausgebreitet.“ Gustav sei vor der Diagnose ein sehr aktives Kind gewesen. Als er krank wurde, fehlte plötzlich die Kraft. Aktivitäten, denen er vorher immer nachgehen konnte, waren nicht mehr möglich. „Mit der Perspektive, mit Lena oder Mareike zu trainieren, fällt die Anreise in die Klinik zur nächsten Chemo gleich viel leichter“, so Gustavs Mama weiter. „Bei der Sporttherapie blüht er regelmäßig auf.“

Das merkt man auch bei der heutigen Einheit. Super motiviert wirft Gustav einen Korb nach dem anderen, steigt Stufen und zockt Therapeutin Lena dabei hinsichtlich des Tempos regelrecht ab. Beeindruckend zu sehen, wie viel Kraft, Mut und Wille der Siebenjährige zeigt. Begeistert berichtet er auch von einer Kanufahrt mit seiner Familie und welche sportlichen Erfolge er Zuhause in der letzten Zeit erzielen konnte.

Am Ende der Einheit holt er sich bei Lena seinen letzten Sticker ab und klebt ihn stolz auf den Bogen. Dann packt Lena eine große Schatztruhe aus. Gustav sucht sich ein Spiel aus: Das verrückte Labyrinth. Mit dem Spiel im Gepäck und Mama und Papa an seiner Seite geht es für Gustav dann weiter zur Chemobehandlung – ein echter kleiner Held und Kämpfer.

Vielen Dank an dieser Stelle an Gustav und seine Eltern für die Offenheit und die Möglichkeit, einen Einblick in die Sporttherapie am Kinderonkologischen Zentrum zu geben!