Weltblutkrebstag: Ohne Forschung geht es nicht

Zum heutigen Weltblutkrebstag haben wir mit Dr. med. Francesca Alt, Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin am Kinderonkologischen Zentrum Mainz, gesprochen. Dabei wird schnell klar: Nicht zuletzt dank jahrelanger Forschung sind die aktuellen Heilungschancen bereits sehr gut. Doch auch weiterhin bleibt das Investment in die Forschung unerlässlich. Therapien, die personalisiert und somit mit weniger Nebenwirkungen und höherer Effektivität verbunden sind, sind eines der Hauptziele. Die Kinderkrebshilfe Mainz unterstützt die Forschung im Kampf gegen Kinderkrebs dank Ihrer Spendengelder – und das zahlt sich aus!

Francesca-Alt

Dr. med. Francesca Alt (Foto: privat)

Blutkrebs – Was verbirgt sich eigentlich genau hinter der Erkrankung, Frau Dr. Alt?

Unter dem Begriff Blutkrebs oder Leukämie versteht man Erkrankungen, welche im Kno­chen­mark, dem Ort der Blut­bil­dung, entstehen und durch eine ungehemmte Vermehrung unreifer weißer Blutzellen, den Leukozyten, geprägt sind. Man unterteilt die Leukämien in lym­phob­las­ti­sche und mye­loi­sche Leuk­ämien. Diese können entweder akut oder chronisch verlaufen. Im Kin­des-​ und Ju­gend­al­ter sind über 95 % der Leuk­ämi­en aku­te, also rasch fortschreitende Erkrankungen.

Wie viele an Blutkrebs erkrankte Kinder gibt es pro Jahr in Deutschland?

In Deutschland sind Leuk­ämi­en mit et­wa 600 Neu­er­kran­kun­gen im Jahr und mit einem Anteil von etwa 33 % die häu­figs­ten Krebs­er­kran­kun­gen im Kin­des-​ und Ju­gend­al­ter.

Die häufigste Form, die lymphatische Leukämie, nahm in Deutschland und Europa bis Mitte der 2000er Jahre langsam zu (ca. 0,7% pro Jahr), seitdem sehen wir in Deutschland keinen weiteren Anstieg. Sie hat einen typischen Altersgipfel im Alter von 2-4 Jahren.

Sind Ursachen für die Erkrankung bekannt und wenn ja, welche?

Die Ursachen der akuten lymphoblastischen Leukämie (ALL) sind weitestgehend unbekannt. Heutzutage weiß man, dass eine bösartige Veränderung in den Vorläuferzellen der weißen Blutkörperchen (Leukozyten) entsteht. In der Mehrzahl der Fälle ist allerdings nicht klar, was zu diesen Erbgut-Veränderungen führt und warum diese bei einigen Kindern zu einer Leukämie führt und bei anderen nicht.

Welche Symptome sind für Kinder typisch – wie wird Blutkrebs erkannt?

Die Krankheitszeichen, oder Symptome genannt, sind durch die Verdrängung der „normalen“ Blutzellen im Knochenmark durch die Krebszellen (oder Blasten) bedingt. Die ungehemmte Teilung der „Leukämiezellen“ führt dazu, dass die normale Blutzellproduktion beeinträchtigt ist. Typische Zeichen sind somit allgemeine Schwäche, Müdigkeit und Blässe, die unter anderem durch die Anämie verursacht werden.

Außerdem kann es zu Infektionen oder einer allgemeinen Infektanfälligkeit kommen. Dies geschieht durch die reduzierte Anzahl an noch gut funktionierenden Leukozyten (die allgemeine Anzahl kann erhöht oder erniedrigt sein, afunktionell sind sie aber fast immer), insbesondere der Granulozyten. Zudem ist die Anzahl der Blutplättchen meist auch reduziert und die Kinder haben Zahnfleisch- oder Nasenbluten, oftmals auch Petechien. Das sind stechnadelgroße Einblutungen der Haut.

Wie sind die aktuellen Heilungschancen? Welche Therapiemöglichkeiten gibt es?

Die aktuellen Heilungschancen der akuten lymphoblastischen Leukämie sind, vor allem bei Kindern mit günstigen Prognosefaktoren, so gut, dass das Langzeitüberleben über 15 Jahre bei 90% liegt.

Hauptbestandteil der standardisierten und multimodalen Therapie ist eine bis zu zwei Jahre dauernde Kombinationstherapie aus mehreren Zytostatika (zellwachstumshemmenden Medikamenten). Bei Hochrisikopatienten und/oder bei fehlendem Ansprechen auf die Therapie, oder im Falle eines Rezidivs ist eine Stammzelltransplantation erforderlich.

Wo besteht noch Forschungsbedarf?

Obwohl die Therapie der akuten Leukämie heutzutage sehr gut ist, sieht es im Falle eines Rezidives, trotz Stammzelltransplantation nicht mehr so gut aus. Eine relativ neue und vielversprechende Therapieform ist durch eine besondere Form der Immuntherapie gegeben, die CART-19 Therapie. Forschungsbedarf besteht unter anderem in der Suche nach den Mechanismen, welche zur Entstehung von möglichen Therapiefluchtmechanismen führen.

In welchen Bereich wird hier in Mainz geforscht – und wie hilft die Kinderkrebshilfe Mainz dabei?

An unserem Labor finden in Kooperation mit dem Universitären Centrum für Tumorerkrankungen Mainz aktuell mehrere Projekte statt. Unsere Schwerpunkte sind dabei:

  • Entwicklung von Prozessen für eine individualisierte Krebstherapie
  • Entwicklung diagnostischer Tests zur Früherkennung der Krebszellstreuung
  • Mechanismen von Tumorentwicklung, Progression und Rückfall

Die Kinderkrebshilfe Mainz unterstützt uns immer sehr großzügig. Eines der Projekte, welches die Kinderkrebshilfe Mainz co-finanziert, verfolgt das wissenschaftliches Ziel die Gewinnung von Erkenntnissen über die Prävalenz und prognostische Relevanz bestimmter Mutationsprofile in Hinblick auf die Entwicklung von prädiktiven Biomarker des Therapieansprechens auf die Therapie der lymphatischen Leukämie im Kindesalter. Dies soll in Zukunft die Neuetablierung einer Risikostratifizierung ermöglichen und somit als Basis für eine individuelle risikoadaptierte Therapie fungieren.

Was würden Sie sich für die Zukunft wünschen in diesem Bereich? Was fehlt / wo sehen Sie Bedarf?

Heutzutage bedeutet Forschung vor allem Kooperation und Austausch mit mehreren Zentren und ist nicht mehr auf das eigene Labor beschränkt. Durch das Zusammenarbeiten mit anderen Kolleg*innen aus anderen Forschungsgruppen, national und international, ist es immer einfacher, gute Projekte voranzutreiben.

Gemeinsames Ziel ist es, unseren Kindern eine immer mehr personalisierte und somit hoffentlich nebenwirkungsärmere und effektivere Therapie anzubieten.

Vielen Dank für das aufschlussreiche Gespräch, Dr. med. Francesca Alt.