Was die Diagnose Kinderkrebs für Geschwister bedeutet
Wenn der Bruder oder die Schwester die Diagnose Krebs erhält, ändert sich nicht nur für das betroffene Kind das Leben, sondern für die ganze Familie. Nichts ist, wie es vorher war. Anlässlich des heutigen Weltgeschwistertags möchten wir auf das Thema „Schattenkinder“ aufmerksam machen. Als „Schattenkinder“ bezeichnet man Geschwister von chronisch- bzw. schwerstkranken oder behinderten Kindern.
Erkrankt ein Kind an Krebs, werden Geschwisterkinder zwangsläufig oftmals zu “Nebenakteuren” des Alltags. Auch sie sind mit der schrecklichen Diagnose ihres Bruders oder ihrer Schwester konfrontiert, machen sich Sorgen und haben Ängste. Doch die eigenen Bezugspersonen müssen das erkrankte Geschwisterkind in die Klinik begleiten und sind oftmals nicht zuhause. Kontakte müssen aufgrund des geschwächten Immunsystems der kleinen und größeren Patient*innen eingeschränkt werden, Ausflüge, Urlaube und sonstige Familienaktivitäten richten sich nach dem Gesundheitszustand des krebskranken Kindes und nach Therapieplänen und Terminen. Der Alltag ist ein komplett anderer als zuvor.
Geschwisterkinder spüren die Veränderung, ganz unabhängig von ihrem Alter, sie sind mit Sorgen und Unsicherheiten konfrontiert, während ihre eigenen Bedürfnisse bei den Eltern oft weniger Beachtung finden können. Verständlicherweise liegen der Fokus und die Aufmerksamkeit auf dem kranken Kind – eine fordernde Situation für alle Beteiligten im Familienleben.
Die Eltern sind dabei oftmals am Ende ihrer Ressourcen und Kräfte und haben Schuldgefühle, weil sie in dieser Ausnahmesituation nicht allen Familienmitgliedern gleichermaßen gerecht werden. Die ganze Situation führt häufig zu einem Gefühlschaos. Wie die Geschwister dabei reagieren und fühlen, ist von Fall zu Fall individuell: Angst, Einsamkeit, manchmal auch Eifersucht aufgrund mangelnder Aufmerksamkeit, Wut oder Schuld können auftreten. Andere Kinder leiden eher still und unbemerkt mit, um den Eltern nicht zusätzliche Sorgen zu bereiten. Das Verhalten der Geschwister kann ausgehend von ihren Gefühlen und ihrem Umgang mit der Situation von Aggressionen bis hin zu einem Rückzug aus sozialen Beziehungen reichen.
Aber auch positive Verhaltensweisen und Gefühle können aus der schweren Zeit der Erkrankung resultieren, wie etwa ein hohes Maß an Empathie, Verantwortungsbewusstsein und innerer Reife sowie das Gefühl, dass die Familie zusammenhält, egal was kommt. Eltern können Geschwisterkinder unterstützen, indem sie sie aktiv ins Geschehen einbinden, offen und altersgerecht über die Krankheit und Herausforderungen kommunizieren und ihnen Anerkennung für ihren Verzicht oder Beitrag zukommen lassen.
Auch unserem Verein ist es wichtig, für das Thema „Schattenkinder“ zu sensibilisieren und Angebote zu schaffen, die sich an Geschwisterkinder oder die ganze Familie richten, um den Familienzusammenhalt zu stärken und den Geschwistern zu zeigen: Ihr werdet gesehen und seid nicht allein! Dies haben wir seit dem vergangenen Jahr mit dem Ausbau der psychosozialen Versorgung im Rahmen unseres Projekts „Schwierige Zeiten gemeinsam meistern“, welches von Herzenssache e.V., der Kinderhilfsaktion von SWR, SR und Sparda-Bank für drei Jahre im Aufbau unterstützt wird, stark vorangetrieben.
Es ist wissenschaftlich nachgewiesen, dass es die Geschwister stärkt, wenn sie mit anderen Kindern und Jugendlichen Zeit verbringen, die sich in einer ähnlichen Situation befinden. Dabei stehen sie und ihre Bedürfnisse im Mittelpunkt.
Im Rahmen unseres Herzenssache-Projekts bieten wir zum einen Angebote an, die sich speziell an Geschwister richten, zum anderen aber auch Ausflüge gemeinsam mit der ganzen Familie – ob im Zoo, im Kino, beim Eislaufen, beim gemeinsamen Klettern oder wie zuletzt in der Wissens- und Erlebniswelt “Experiminta” in Frankfurt. Gemeinsame schöne Erlebnisse außerhalb des Klinikalltags, gemeinsam mit anderen Betroffenen, sollen den Austausch fördern, den Zusammenhalt stärken und vor allem zeigen: you’ll never walk alone.