Wenn man an den Alltag am Kinderonkologischen Zentrum in Mainz denkt, stehen zunächst die Behandlung der kleinen und größeren Patient*innen auf der Station A2 und in der Ambulanz sowie die Tätigkeiten des Pflegepersonals und der Ärzt*innen im Vordergrund. Doch im Hintergrund, einige Stockwerke unterhalb der Station A2, spielt sich eine Arbeit ab, die nicht weniger bedeutend ist und in besonders aggressiven und schwer therapierbaren Fällen von Kinderkrebs viel für die betroffenen Kinder und Jugendlichen bewegen kann: Die Arbeit des Teams für Diagnostik und Forschung im Bereich Pädiatrische Hämatologie, Onkologie und Hämostaseologie rund um Laborleitung Prof. Dr. Claudia Paret.
Seit nunmehr 10 Jahren ist Prof. Dr. Claudia Paret am Kinderonkologischen Zentrum in Mainz tätig. Gemeinsam mit ihrem siebenköpfigen Team widmet sie sich der Kinderkrebsforschung und insbesondere der personalisierten Medizin und Immuntherapie. Finanziert wird das Team zum Großteil durch die Kinderkrebshilfe Mainz und somit durch Spendengelder.
Anlässlich des heutigen „Welttag des Labors“ haben wir das Labor- bzw. Forschungsteam besucht und wertvolle Einblicke in deren Arbeit, aber auch in die größtenteils durch Spendengelder finanzierten Laborgeräte erhalten, die zu einer Verbesserung der Behandlungsmöglichkeiten der an Krebs erkrankten Kinder und Jugendlichen in Mainz beitragen.

Das Laborteam rund um Laborleitung Prof. Dr. Claudia Paret (3. v.l.)
Frau Prof. Dr. Claudia Paret, wann wird ihr Team bei der Behandlung der kleinen und größeren Patient*innen am Kinderonkologischen Zentrum in Mainz tätig?
Unser Team ist Teil des Kinderonkologischen Zentrums, auch wenn wir in Person wenig bis keinen direkten Kontakt zu den Patient*innen und ihren Familien haben. Wir sind auf die personalisierte Medizin spezialisiert. Das heißt, unser Team kommt immer dann zum Einsatz, wenn ein Kind an einer Krebsart erkrankt ist, die nicht auf die Standardbehandlung mit Chemotherapie und/ oder Bestrahlung anspricht. Zudem werden wir bei besonders aggressiven Krebsarten tätig, die z. B. als unheilbar gelten, wie etwa dem DIPG (diffuses intrinsisches Ponsgliom, Hirntumor), um Wege zu finden, das Leid der kleinen und größeren Patient*innen zu minimieren und das Wachstum des Tumors zu verlangsamen.
Was bedeutet personalisierte Medizin?
Nicht jede*r Patient*in spricht gleichermaßen gut auf eine Therapie an. Bei Patient*innen, die schlecht auf die standardisierten Chemotherapien/Bestrahlungen reagieren und deren Krebserkrankung auf diesem Weg nicht aufgehalten oder zurückgedrängt werden kann, kommt die zielgerichtete bzw. personalisierte Therapie zum Tragen. Dabei suchen wir bei der Analyse von Tumoren spezifische Strukturen und Veränderungen, z. B. Mutationen, die die Tumorzelle charakterisieren. Sie verursachen das Tumorwachstum und werden auch als Target bezeichnet. Hat man diese gefunden, kann man den Tumor gezielt an dieser Stelle angreifen (engl. targeted therapy).
Wie muss man sich das Vorgehen Ihres Teams vorstellen?
Zunächst besprechen die behandelnden Ärzt*innen mit mir, welche*r Patient*in für eine personalisierte Therapie infrage kommt, ausgehend von der bisherigen Diagnose, Behandlung und Prognose. Für die Analyse der (meist soliden) Tumore benötigen wir frisches Zellmaterial, also lebendige Zellen. Diese erhalten wir in der Regel durch eine Biopsie oder nach z. B. einer Operation zur Entfernung des Tumors direkt aus der Pathologie. Die Zellen werden im nächsten Schritt analysiert, dabei kommen verschiedene Verfahren zum Einsatz. Meist teilt unser Team sich auf. Ein Teammitglied übernimmt z. B. die Mutationsanalyse, um spezifische Genmutationen zu identifizieren, ein anderes kümmert sich um das Anlegen von Zellkulturen und die Medikamentenanalyse, um herauszufinden, ob die Tumorzellen auf ein bestimmtes Medikament mit einer Verlangsamung des Wachstums reagieren. Ein*e weitere*r Mitarbeiter*in untersucht die Tumorumgebung, z.B. um herauszufinden, warum der Tumor eine Resistenz gegen ein Medikament aufweist. Dabei kommen jeweils unterschiedliche Geräte zum Einsatz. Diese Geräte, die zum Teil von der Kinderkrebshilfe Mainz finanziert wurden, erleichtern und beschleunigen die Prozesse enorm verglichen mit dem Vorgehen vor einigen Jahren bzw. Jahrzehnten.
Wie geht es weiter?
Zeigt sich z. B., dass die Tumorzellen auf ein bestimmtes Medikament, das bisher nicht Teil der Behandlung war, ansprechen und sich das Wachstum dadurch verlangsamt, besprechen wir die Ergebnisse mit den behandelnden Ärzt*innen und stellen einen Antrag auf Kostenübernahme bei der entsprechenden Krankenkasse. Im günstigsten Fall übernimmt diese die Kosten und das Medikament kann dann zusätzlich zur Chemotherapie/Bestrahlung oder alternativ angewendet werden.
Was bedeutet das für die kleinen und größeren Patient*innen?
Mit der personalisierten Therapie bekommen Kinder und Jugendliche, die nicht gut auf die Chemotherapie oder Bestrahlung ansprechen, doch noch eine Chance auf Heilung. Gerade im Bereich der Immuntherapie konnten hier bereits große Erfolge erzielt werden.
Bei unheilbaren Tumoren wie dem DIPG gewinnen sie Zeit und eine Verbesserung der Lebensqualität. Jede Stunde, jeder Tag, den die kleinen Patient*innen dadurch noch mit ihren Familien verbringen können, ist für diese oftmals unendlich kostbar – mit diesem Gedanken startet unser Team jeden Tag in die Arbeit. Wir möchten die Situation und Behandlung der betroffenen Kinder und Jugendlichen verbessern und Hoffnung geben – das ist unsere größte Motivation.