Erhält ein Kind die Diagnose Krebs, ist das Ziel klar: den Krebs besiegen und gesund werden. Leider geht die Erkrankung und die darauffolgende Behandlung mit Operationen, (Hochdosis-)Chemotherapien, Bestrahlungen oder auch einer Stammzelltransplantation mit einer Reihe von Nebenwirkungen und möglichen Langzeitfolgen einher. Während das Thema „Kinderwunsch“ gerade bei den sehr jungen Patient*innen im Augenblick der Erkrankung eine eher untergeordnete Rolle spielt, wird es mit zunehmendem Alter immer bedeutender. Vielen Jugendlichen und Kinderkrebs-Survivor*innen stellt sich dann die Frage: Kann ich aufgrund meiner überstandenen Krebserkrankung überhaupt noch Kinder bekommen?
Eine Krebsbehandlung kann die Funktion der Geschlechtsorgane schädigen und zu einer verminderten Fruchtbarkeit oder gar Unfruchtbarkeit führen. Auch Hormonstörungen sind möglich, die beispielsweise eine verfrühte Menopause verursachen. Bei beiden Geschlechtern können durch die Behandlung möglicherweise die Keimdrüsen (Gonaden), also die Eierstöcke und die Hoden, geschädigt werden, was wiederum die Fruchtbarkeit beeinträchtigt. Erhöht ist dieses Risiko insbesondere bei Kindern und Jugendlichen, die im Rahmen der Therapie eine Hochdosis-Chemotherapie und eine Stammzelltransplantation erhalten haben.
Anlässlich des Muttertags haben wir mit Viviana gesprochen. Die heute 25-Jährige war im Alter von drei Jahren an einem Nebennierenkarzinom erkrankt – im April hat ihr erstes Kind das Licht der Welt erblickt. Eine Geschichte, die Mut macht und zeigt: Eine Krebserkrankung im Kindesalter bedeutet nicht automatisch das „Aus“ für die künftige Familienplanung.
Viviana, du hattest im Alter von drei Jahren ein aggressives Nebennierenkarzinom. Wie wurden deine Eltern darauf aufmerksam?
„Ich selbst kann mich nicht wirklich daran erinnern, aber meine Eltern haben mir berichtet, dass ich damals Symptome zeigte, die einer verfrühten Pubertät ähnelten. Ich bekam Pickel, mir sind Haare an Stellen gewachsen, an denen ein Kind in diesem Alter keine Haare haben sollte. Meine Brüste begannen sich zu entwickeln und ich hatte Bauchschmerzen – meine Eltern suchten daraufhin einen Kinderarzt auf.“

Viviana als Kleinkind während der Krebstherapie.
Was geschah dann?
„Der Kinderarzt wies uns in die Uniklinik Mainz ein – dort wurde ein Tumor entdeckt, ein Nebennierenkarzinom. Eine sehr aggressive und seltene Tumorerkrankung, die eine übermäßige Hormonproduktion verursacht und somit für die von mir gezeigten Symptome verantwortlich war.
Noch am Tag der Einweisung wurde ich operiert und der Tumor entfernt. Danach folgten sechs Blöcke Chemotherapie am Kinderonkologischen Zentrum in Mainz.“
Hast du heute Spätfolgen durch die Krebserkrankung im Kindesalter?
„Ja, aber zum Glück keine gravierenden. Meine Schilddrüse ist zu klein, was jedoch mit medikamentöser Behandlung gut therapierbar ist. Ansonsten geht es mir wirklich gut, und darüber bin ich sehr dankbar. Auch die hormonellen Veränderungen aufgrund der Erkrankung haben nicht dazu geführt, dass ich mich anders entwickelt habe als gesunde Kinder. Meine Pubertät ist im Jugendalter ganz normal eingetreten und verlaufen.“
Wie bist du damit umgegangen, dass durch die Erkrankung möglicherweise deine Fruchtbarkeit eingeschränkt sein könnte?
„Für mich war immer klar, dass ich irgendwann gerne Mutter werden möchte. Natürlich hatte ich Angst, dass es womöglich nicht klappen könnte. Die Ärzt*innen haben meine Eltern während meiner Krebserkrankung aufgeklärt, dass es durch die Behandlung zu Wachstumsverzögerungen und eben auch zu Problemen hinsichtlich der Fertilität kommen kann. Aber ich habe beschlossen, positiv zu bleiben und der Angst nicht zu viel Raum zu geben – ich habe die Krebserkrankung überlebt, und egal, was noch kommen sollte, auch das würde ich irgendwie bewältigen. Also bin ich einfach erst mal vom besten Fall ausgegangen, nämlich dass es auf natürlichem Weg mit der Schwangerschaft klappen würde.“
Hast du dir trotzdem auch Gedanken über einen Plan B gemacht?
„Ja, ich habe mich auch mit dem Thema Adoption befasst und mich in der Kinderwunschklinik beraten lassen, welche Möglichkeiten es für mich gäbe, sollte es nicht klappen.“

Viviana während der Schwangerschaft.
Und dann wurdest du recht schnell schwanger. Was waren deine Gefühle?
„Ich war überwältigt und einfach nur unendlich dankbar, dass ich ganz unkompliziert und auf natürlichem Weg schwanger geworden bin. Ich bin überzeugt, dass es geholfen hat, mir dahingehend keinen Druck zu machen und einfach positiv zu bleiben – ich habe fest daran geglaubt, dass alles gut werden würde, und so kam es zum Glück auch.“
Und wie ist die Schwangerschaft verlaufen?
„Auch hier kann ich mich nicht beklagen. Bis auf anfängliche Übelkeit ging es mir sehr gut. Ich war fit und konnte die erste Schwangerschaft genießen.“
Was würdest du den jungen Krebspatient*innen mit auf den Weg geben, wenn du an das Thema „Kinderwunsch“ denkst?
„Versucht, positiv zu bleiben! Ihr habt schon so viel durchlitten und so viel geschafft – eine Krebserkrankung zu haben, zu bekämpfen und zu überleben – das macht euch zu Kämpfer*innen. Behaltet die Einstellung bei, dass euch nichts stoppen kann – und übertragt das auch auf das Thema Kinderwunsch. Ihr verdient dieses Glück, wenn ihr es euch wünscht. Und wenn es mit einer Schwangerschaft nicht klappt, dann gibt es mit Pflege und Adoption oder künstlicher Befruchtung Wege, dieses Glück zu erreichen. Glaubt fest daran.“
Liebe Viviana, danke für deine Offenheit und deinen Mut, uns deine Geschichte zu erzählen – sowie für deine durch und durch positive Einstellung zum Leben, die uns beeindruckt!
Risikofaktoren auf einen Blick
Wie hoch das Risiko für eine Beeinträchtigung der Fruchtbarkeit als Folge der Krebstherapie ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Generell besteht ein erhöhtes Risiko:
- bei Krebserkrankungen der Keimdrüsen oder Tumoren im Bereich der Hirnanhangsdrüse (Hypophyse)
- bei Beginn einer Krebstherapie nach Pubertätseintritt
- bei einer Chemotherapie mit folgenden Zytostatika: Cisplatin, Carboplatin, Ifosfamid, Cyclophosphamid, Busulfan, Melphalan, Procarbazin, Dacarbazin, Lomustin (CCNU), Temozolomid, Thiotepa, Treosulfan, Trofosfamid, Etoposid
- bei einer hohen Dosierung dieser Zytostatika
- bei einer Hochdosis-Chemotherapie mit anschließender Stammzelltransplantation
- bei einer Ganzkörperbestrahlung (zum Beispiel zur Vorbereitung einer Stammzelltransplantation)
- bei einer Bestrahlung im Bereich des Bauchraums, Beckens, des unteren Rückenmarks, des Gehirns (mit Hypothalamus, Hirnanhangsdrüse)
- bei Operationen im Bereich des Bauch- oder Beckenraums, des unteren Rückenmarks sowie im Gehirn (Hypothalamus, Hirnanhangsdrüse);
- bei einer Operation mit Entfernung der Keimdrüsen (ein oder beide Eierstöcke bzw. Hoden) oder der Vorsteherdrüse (Prostata)
Quelle: www.gpoh.de