Wie ein großer Bruder

Er hörte zu und ließ die Kinder zu Wort kommen: Eric Mayer, der Stuntman des Wissens, zu Gast auf der Kinderkrebsstation Mainz. Eric Mayer hat schon viel erlebt. Als Moderator der Wissenssendung „Pur +“ im ZDF hat er schon viele ferne Welten bereist und dabei viele Menschen kennengelernt. Nun ist er im nahen Mainz unterwegs und besucht die Kinderkrebsstation an der Mainzer Universitätsmedizin, um dort drei Tage lang einen „Pur +“ Beitrag zum Thema „Krebs bei Kindern“ zu drehen. Welche neuen Erfahrungen er dort sammeln durfte und wie es zu dem Namen „Stuntman des Wissens“ kam, erzählt er Laura Faber im Interview.

Laura Faber: Lieber Eric, vorab: Was bedeutet für dich Gesundheit?

Eric Mayer: Was für eine gute Frage direkt zum Einstieg! Das klingt jetzt natürlich abgedroschen, aber Gesundheit ist das Wichtigste, was wir haben. Und ich finde, man vergisst das ganz oft. Durch meine zahlreichen Drehs, die mit dem Thema Gesundheit etwas zu tun hatten, wurde es mir immer bewusster, wie schlimm es ist, wenn man seine Gesundheit verliert und wie zerbrechlich diese ist. Ich habe in der Vergangenheit schon mal eine Sendung über das Herz gemacht; jetzt haben wir die Sendung bei euch hier im Kinderkrebszentrum gedreht. Und ich weiß gar nicht woran das liegt, dass ein gesunder Mensch nicht mehr daran denkt, wie wertvoll seine Gesundheit eigentlich ist. Aus diesem Grund versuche ich mich stetig daran zu erinnern, wie gut es mir geht und dies schätzen zu lernen.

Laura Faber: Oft helfen dabei einem anderen Menschen, seine Gesundheit wertschätzen zu können.

Eric Mayer: Ja, genau das ist auch bei diesen Dreharbeiten passiert: Im Zimmer mit Jemandem zu sein, der eine Krebserkrankung hat und eine anstrengende Behandlung durchmacht und du sitzt gesund Zuhause und könntest so glücklich sein. Manchmal macht man sich so einen Kopf um Dinge, die eigentlich so egal sind oder man schläft schlecht, weil man am nächsten Tag einen Termin hat, aber unterm Strich ist das alles gar nicht so wichtig. Wichtig ist, dass man gesund ist.

Laura Faber: Als Moderator und Journalist bist du in ferne Welten gereist und hast viele Menschen kennengelernt. Dabei hast du sicherlich viel Neues gelernt und neue Geschichten erfahren. Die letzten drei Tage warst du im nicht so fernen Mainz und nun möchte ich von dir wissen: Was hast du in diesen Tagen Neues gelernt?

Eric Mayer: Was ich hier Neues in den drei Tagen entdeckt habe, habe ich in den Menschen entdeckt. Das waren Optimismus, obwohl die Kinder in einer schweren Phase sind, und die Tatsache, dass man sich anders beleuchten sollte und sich nicht immer über kleine Dinge aufregen sollte. Außerdem habe ich gelernt, wie diese Kinderkrebsstation funktioniert. Dazu zählt die Arbeitseinstellung des Personals, welches hier die Patienten versorgt. Das hat mich sehr überrascht, weil ich mir alles viel technischer vorgestellt habe, zum Beispiel, dass das Personal nach Abläufen arbeitet. Aber hier arbeiten Menschen und ich finde es schön zu sehen, dass das Team sich Zeit für die Patienten nimmt und mit diesen eine menschliche Beziehung eingeht.

Laura Faber: Das stimmt. Das ist interessant, dass du das als außenstehende Person so wahrnimmst. Wir geben unser Bestes, um ein Vertrauensverhältnis zum Patienten aufzubauen. Denn nur so funktioniert eine Patientenversorgung, die wir uns vorstellen.

Eric Mayer: Ja genau das habe ich gesehen: Eine menschliche Beziehung zum Patienten. Das ist keine Arzt – Pflege – Patient –  Beziehung, sondern eine fast freundschaftliche Beziehung. Das habe ich daran gemerkt, wie die Patienten mit dem Personal geredet haben und wie sie sich gefreut haben, wenn die Pflege oder die Ärzte sie besucht haben. Das habe ich so nicht erwartet und das fand ich gut! Lacht

Laura Faber: Mit welchem Gefühl bist du zu den Dreharbeiten gekommen? Und hat sich dieses Gefühl im Laufe des Drehs geändert?

Eric Mayer: Ja total! Ich muss ehrlich sagen, das hier war ein Dreh, über den ich Wochen zuvor mit einem Stein im Magen viel nachgedacht habe. Ich wusste, es bedarf viel Vorbereitungszeit und ich hatte ehrlich gesagt, Angst. Ich wusste nicht, wie ich darauf reagieren soll, wenn ich Kinder treffe, die eine Erkrankung haben, die tödlich sein kann. Das ist alles andere als einfach. Da sitzt plötzlich ein Kind vor mir, welches das Gefühl hat, vielleicht nicht mehr gesund zu werden. Wie gehe ich als Reporter damit um?

Laura Faber: Entschuldige, dass ich dich unterbreche, aber ich sah dich irgendwie als großer Bruder für unsere Patienten.

Eric Mayer: Deshalb habe ich mir im Vorfeld darüber Gedanken gemacht, was meine Rolle in der Kinderkrebsstation ist. Als Reporter bin ich zu dem Schluss gekommen, dass ich neutral Fragen stellen kann und die Kinder zu Wort kommen lassen muss, sodass sie sich ernst genommen fühlen und werden. Ich bin unwichtig, die Kinder sind wichtig und ich stehe hier nicht im Mittelpunkt. Trotzdem hatte ich Angst. Das hat sich nach dem ersten Tag allerdings auf einen Schlag geändert. Unsere Protagonisten waren so toll und auch das Team der Kinderkrebsstation hat die Zeit so angenehm wie möglich für uns gestaltet, dass ich mit einem positiven Gefühl nach Hause gehen werde.

Laura Faber: Ich kann dir gratulieren: Du bist nun bereits zehn Jahre bei Pur + für deine Zuschauer als Moderator unterwegs und hast schon viele aufregende Sachen erlebt. Was war in diesen zehn Jahren deine größte Challenge bisher?

Eric Mayer: Eine der größten Herausforderungen war der Dreh mit dem Hai. Du weißt nie was ein Tier als Nächstes macht. Ich muss aber dazu sagen, wir bereiten uns natürlich vor und reden mit Experten. Ich hätte auch die Chance gehabt, diesen Dreh abzubrechen, aber ich will ja auch eine gute Sendung für meine Zuschauer machen. Eine weitere Herausforderung sind die Drehs, über Themen, die in die Tiefe gehen. Sei es der Dreh mit einem Obdachlosen, mit dem du zwei Tage unter einer Brücke übernachtest oder ein herzkrankes Kind begleitetest, welches eine neue Herzklappe bekommt, im Gefängnis drehst, oder wie hier, auf einer Kinderkrebsstation. Das sind die Themen, die das wahre Leben zeigen und die dir ermöglichen mit Menschen in Kontakt zu treten. Das ist immer wieder eine große Herausforderung, weil ich die Geschichten aus den Menschen herausholen möchte, dir sie mir erzählen. Manchmal klappt das nicht –  hier hat es sehr gut geklappt. Das ist immer eine Hürde und vor solchen Sendungen bin ich immer viel aufgeregter, als wenn ich ein Flugzeug steuern oder ein Looping fliegen soll.

Laura Faber: Ich habe in einem anderen Interview gelesen, du hättest nach eigenen Aussagen den „coolsten Job der Welt“. Inwiefern?

Eric Mayer: Ja. Lacht.  Weil mein Job so divers und so verschieden ist. Ich mache irgendwie alles und was ich mache ist immer eine große Wundertüte. Ich mache Action-Themen, ich mache soziale Themen und ich lerne dabei Menschen kennen, was für mich einfach das Tollste ist. Und das nehme ich mit. Die Leute, die ich kennenlernen durfte, die Gespräche, die ich führen durfte, das bliebt mir auch nach meiner Pur + Zeit erhalten. Und deshalb ist mein Job „der coolste Job der Welt“ für mich.

Laura Faber: Ich habe schon viel über dich erfahren, aber ich würde gerne wissen, wie es zu dem Namen „Stuntman des Wissens“ kam. Ich bin mir sicher, viele Fans fragen sich das auch. Unter Stuntman verstehe ich eine Person, sie sein Handwerk gut kennt, weiß, wie sie hinfällt, aufsteht und sich wehtut und dabei noch gut vor der Kamera aussieht. Eben den eigenen Körper gut kennt. Aber wie kann man das auf das Wissen übertragen?

Eric Mayer: Und das ist alles bei mir nicht der Fall!? Lacht

Nee, im Ernst, das hast du gut beschrieben. Dieser Begriff „Stuntman des Wissens“ hat sich mein damaliger Redaktionsleiter ausgedacht. Es sollte ein Label für mich entwickelt werden. Er sagte zu mir, ich werde viel körperlich erleben, aber auch Wissen vermitteln. Unsere große Philosophie bei Pur + ist es, Wissen zu erleben. Wir möchten den Kindern Wissen erlebbar machen und als Stuntman verbinde ich beide Sachen: Das Wissen erlebbar, also lebendig machen.

Laura Faber: Nun habe ich ein Sprichwort für dich: „Man lernt nie aus.“ Trifft das auf dich zu? Falls nicht, gibt es andere Sprichwörter, die zu dir passen?

Eric Mayer: Dieses Sprichwort trifft voll und ganz auf mich zu. Es gibt aber auch noch ein schönes Sprichwort über den Journalismus, welches ich gerne benutzte: „Das Wissen eines Journalisten ist so groß wie das Meer, aber nur einen Zentimeter tief.“ Das soll heißen, dass wir Journalisten natürlich nur an der Oberfläche kratzen können. Wenn ich länger da gewesen wäre, hätte es tiefer gehen können. Ich mag dieses Sprichwort, weil es beschreibt, dass du nie auslernen kannst. Es gibt immer etwas zu erfahren. Es gibt immer neue Leute und Situationen sowie Sichtweisen kennenzulernen. Und das hört nie auf. Deshalb mag ich meinen Job seit zehn Jahren so sehr. So lange ich einen Dreh mit dem Gefühl abschließe, dieser hat mich bereichert, warum soll ich damit aufhören?

Laura Faber: Pur + hat bekanntlich immer Antworten auf eine bestimmte Frage. Welche Frage hast du dir persönlich gestellt und konnte diese rückblickend beantwortet werden?

Eric Mayer: In der Dramaturgie-Theorie, nach der wir die Sendung konzipieren,  gibt es die sogenannte „beherrschende Idee“, quasi des Pudels Kern der  Sendung. Bei diesen Dreharbeiten stellten wir uns die Fragen: „Was ist eigentlich Krebs?“ und „Was kann man gegen Krebs tun?“ Zwei ganz klare Fragen, die wir den Kindern beantworten wollten und konnten. Dabei hat das Team der Kinderkrebsstation uns sehr geholfen und die aktuelle Wissenschaft. Allerdings hat sich eine weitere Frage herauskristallisiert: „Wie gehen Menschen mit der Erkrankung um?“ Und das war die spannendste Frage, die wir in der Sendung beantworten konnten. Diese Frage kannst du nur klären, wenn du die Menschen fragst und sie triffst. Das war die, so glaube ich, große Qualität dieser Sendung, dass man ganz nah an den Kindern dran war und durch sie erfährt, wie Betroffene damit umgehen.

Laura Faber: Du hast sicher in den drei Drehtagen bemerkt, dass krebskranke Kinder besonders stark sind und viele Herausforderungen meistern müssen. Wenn wir beim Namen deiner Wissenssendung bleiben –  was ist denn dein „Plus“, deine Stärke?

Eric Mayer: Eine Stärke von mir ist, dass ich mich sehr für Menschen interessiere und für Situationen. Ich liebe es einfach, mit Menschen zu reden und ehrlich gesagt, ich hätte Leo, unserem Protagonisten der Sendung, stundenlang zuhören können. Oder auch nichts sagen, einfach nur Zeit mit ihm verbringen. Ich interessiere mich auch für Situationen. Man kann mich einfach in ein Flugzeug setzten und ich muss da Anweisungen befolgen. Das finde ich total spannend. Zudem bin ich kinderleicht zu begeistern. Egal, ob ich einen Film im Kino schaue oder in anderen Situationen stecke. Das ist auch eine Qualität von mir.

Laura Faber: Das zeigt aber auch, dass ein kleiner Teil von dir Kind geblieben ist, dass sich leicht begeistern lässt.

Eric Mayer: Ja, deshalb bin ich schon so lang bei Pur +.  Eine Facette von mir ist der Kinderblick, den ich wahrscheinlich in jede Sendung integriere. Und diese Mischung aus Erwachsenenblick und Kinderblick macht die Sendung so wertvoll.

Laura Faber: Nun meine letzte Frage. Du hast schon viele Medienpreise gewonnen und warst auch schon für den Grimme-Preis nominiert. Welchen Preis in welcher Kategorie würdest du den krebskranken Kindern verleihen?

Eric Mayer: Oh, eine gute Frage. Das wäre  der „Ich nimm das Leben, so wie es kommt und mache das Beste daraus – Award“.  Das können wir uns alle auf die Fahnen schreiben, gerade, wenn wir etwas nicht beeinflussen können. Das Leben spielt einem so viele Situationen zu und ich glaube, wenn wir für alles offenbleiben, was da so kommt, ist das ein guter Weg. Die Kinder im Kinderkrebszentrum haben sich nicht für ihre Situation entschieden, sie haben aber eine offene Lebenseinstellung, und daraus kann man Kraft ziehen. Zumindest kann ich das von den Kindern sagen, die ich getroffen habe. Genau das werde ich mitnehmen: Eine Erfahrung, die mich sehr bereichert.